„Wie so oft im Leben gilt: Der Mensch plant und Gott lacht.“

 Serap Güler ist Kind einer türkischen Gastarbeiter Familie. Aufgewachsen ist die heute 40-Jährige in einer typischen Arbeitersiedlung in Marl. Ihre Biografie beginnt wie die vieler junger Gastarbeiterkinder: Ihr Vater kam 1963 nach Deutschland um als Bergmann Steinkohle zu scheffeln. Doch statt nach sechs Monaten die geplante Heimreise anzutreten, blieb er und fand wie viele seiner Landsleute in Deutschland seine zweite Heimat. Gesprochen wurde zu Hause türkisch. Hilfe bei den Hausaufgaben war nur sehr eingeschränkt möglich. Nicht weil ihre Eltern nicht wollten, sondern weil sie es aufgrund sprachlicher Hürden und Wissenslücken einfach nicht konnten. Nach ihrem Abitur 1999 folgte die Ausbildung zur Hotelfachfrau in Dortmund und das Studium der Kommunikations-wissenschaft und Germanistik an der Universität Duisburg-Essen. Heute ist Serap Güler Staatssekretärin für Integration in NRW. Die Kölnerin steht für das junge, vielfältige und moderne Deutschland und möchte nun den Sprung in die Bundespolitik wagen.

Jeanshose, Lederjacke und Sneakers – so erscheint Serap Güler an diesem sonnigen Tag zu dem Treffen im Kölner Stadium. Gut gelaunt und schwungvoll nimmt sie gleich mehrere Treppenstufen auf einmal um zur Begrüßung mit Abstand in die Runde zu winken. Ihr Elan ist fast ansteckend. Und auch ansonsten erinnert bei ihr nicht viel an die sonst so als bieder verschriene Politikerzunft. Serap Güler zählt in ihrer Partei, der CDU, wenn man so will zu den Exoten unter den Christdemokraten. Die Muslima trat 2009 beflügelt von der damals ins rollen gebrachten Diskussion rund um die Anerkennung Deutschlands als Einwanderungsland der CDU bei. „Die Verwunderung, dass ich als Muslima mich für die CDU als meine politische Heimat entschied, war dem ein oder anderen Parteikollegen schon ins Gesicht geschrieben.“ Anfängliche „Berührungsängste“ waren aber schnell passé. „Das C in CDU steht für universelle Werte wie Gleichberechtigung, Zusammenhalt, Nächstenliebe. Somit ist es eine Einladung an alle, die sich den christlichen Werten verpflichtet fühlen. Wäre die CDU ein reiner Christenclub, dann wäre das – ohne anmaßend zu klingen – ziemlich unchristlich.“ Der Satz sitzt und steht sinnbildlich für ein Umdenken, welches seit Jahren in Politik und Gesellschaft umhergreift. Nordrhein-Westfalen ist das Bundesland, in dem die meisten Menschen mit Migrationsgeschichte leben – mittlerweile hat jede 4. Personen in NRW eine Zuwanderungsgeschichte. „Natürlich muss es unser Anspruch als Volkspartei sein, mehr Menschen mit Migrationsgeschichte für unsere Partei zu gewinnen“, so Güler. Serap Güler gilt dabei für viele junge Migranten als Vorbild.

Sie selbst hat zu Beginn ihrer politischen Karriere neben kleineren vor allem inhaltlich geprägten Auseinandersetzungen vor allem Unterstützung und Rückendeckung ihrer Person in den eigenen Reihen erfahren dürfen. Zu ihren größten Unterstützern und als eine Art Mentor zählt der jetzige NRW-Ministerpräsident und CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, der als erster Integrationsminister bundesweit eine Art Leitfigur für die ausländische Community war. An das erste Aufeinandertreffen mit Laschet erinnert sich Güler wie folgt:

„Gemeinsam mit einer Freundin wollten wir uns einen Vortrag von Cem Özdemir anhören. Armin Laschet war auch als Redner vor Ort. Und wie der Zufall es wollte, fragte mich ein Kameramann einer türkischen Nachrichtensendung, der alleine unterwegs war und kein Deutsch sprach, ob ich Armin Laschet für ihn interviewen könnte. Zwei Minuten später hatte ich ein Mikro in der Hand und kam mit Armin Laschet ins Gespräch.“

Kurze Zeit darauf holte der damalige Integrationsminister Armin Laschet die junge Absolventin der Kommunikationswissenschaften in sein Ministerium, wo Güler als Pressereferentin und Redenschreiberin von Laschet erstmals politische Luft schnuppern durfte.

Aufgewachsen in einem eher unpolitischen Elternhaus, weckte vor allem das Studium die Begeisterung für Politik im Allgemeinen und Integrationspolitik im Speziellen. Aber auch zwei Vorfälle in ihrer früheren Kindheit zählt Güler zu den Schlüsselerlebnissen für ihr heutiges Engagement:  Als Serap Güler eines Tages von der Schule nach Hause kam, fand sie ihre Mutter verängstigt auf, weil ein junger Mann sie aufgrund ihres Kopftuches beschimpft und bespuckt hatte. Kurz darauf folgten die Anschläge in Rostock-Lichtenhagen und Mölln, die sich gezielt gegen die türkische Community richteten. Die Stimmung in Deutschland war angespannt, der Brandanschlag in Solingen 1993, nur 60 Kilometer entfernt von Marl, ein trauriger Höhepunkt rechtsextremistischer Hetze. „Meine Mutter war die erste in unserer Familie, die das aussprach, was wir uns alle in gewisser Weise fragten: Sind wir in Deutschland noch sicher? Der Plan meiner Eltern war es immer, irgendwann in die Türkei zurückzukehren. Nachdem das Haus in der Türkei abbezahlt sei, ich mit der Grundschule fertig sei, mein Vater in Rente gehen würde – es gab immer neue Eckdaten, die in immer weitere Ferne rückten. Als sogenanntes „Kofferkind“ wurde ich quasi in der Erwartung groß, eines Tages in die Heimat meiner Eltern zurückzukehren. Die Betonung lag auf eines Tages. Doch am Abend nach dem Brandanschlag von Solingen war die Rückkehr in die Türkei auf einmal ganz nah. Da war ich 13 Jahre alt.“ Doch ihre Familie blieb, bis heute. Deutschland wurde über die Jahre zur neuen, zweiten Heimat und das kleine anatolische Dorf an der Schwarzmeerküste eher zur touristischen Anlaufstelle. Güler: „Wie so oft im Leben gilt: Der Mensch plant und Gott lacht.“

Gleiches Motto gilt im Übrigen auch für ihre politische Karriere. Nie hätte sich Güler vorstellen können, einmal Politikerin zu werden. Ärztin oder Lehrerin, eben ein klassischer Beruf. 2012 gelang ihr Dank des vorzeitigen Endes der rot-grünen Minderheitsregierung unverhofft der Sprung in den Düsseldorfer Landtag. „Als mir bewusst wurde, dass ich über die Liste in den Landtag einziehen würde, fühlte sich das ein bisschen an, als ob die Jungfrau zum Kinde käme.“ Mit damals 32 Jahren und gerade mal drei Jahren Parteimitgliedschaft war Güler die jüngste Abgeordnete der CDU Fraktion und wurde als Integrationspolitische Sprecherin Expertin rund um das Thema Integrationspolitik. 2017 ernannte Ministerpräsident Armin Laschet sie zur Staatssekretärin für Integration im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration. Aus dem Politik-Neuling wurde in der Zwischenzeit ein Polit-Profi, mit regelmäßigen Auftritten in bundesweiten Talk-Shows wie Lanz, Illner oder Hart aber Fair. Seit 2012 ist Güler Mitglied im Bundesvorstand der CDU. „Obwohl ich schon vor meiner Zeit als Abgeordnete im Landesdienst tätig war, habe ich die Regierungsarbeit als Staatssekretärin noch einmal ganz neu kennen gelernt – mir allen positiven Seiten aber auch Herausforderungen. In meinen nun mehr vier Jahren habe ich unglaubliche viele interessante und engagierte Menschen kennen lernen dürfen. Gemeinsam haben wir einiges bewegt“, so Güler. Als Integrationspolitikerin eckt sie bei den ein oder anderen Themen auch schon einmal an, was sie aber für absolut notwendig und vertretbar hält, „solange es der Sache dienlich ist und im Endeffekt zu einem besseren Ergebnis führt.“

Auf die Frage hin, was NRW in Sachen Integrationspolitik besser macht als vielleicht andere Bundesländer, antwortet Güler: „Unser Fokus liegt nicht nur auf den Strukturen. Mit dem Kommunalen Integrationsmanagement haben wir die integrationspolitische Infrastruktur in NRW nachhaltig ausgebaut und gestärkt. Wir wollen Projekte, die NRW nach vorne bringen und vor Ort wirken, weiter ausbauen und verstetigen. Über allem steht dabei das Ziel, die Menschen für das Thema Integration zu sensibilisieren und sie nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen zu erreichen.“ Als Beispiel nennt Güler die Integrations- und Wertschätzungskampagne #IchDuWirNRW, bei dem die Landesregierung mit Vorbildern und deren Geschichten für eine offene Gesellschaft und Vielfalt wirbt. Zu den weiteren Meilensteinen zählt die Neuauflage des Teilhabe- und Integrationsgesetzes in NRW, welche noch diese Legislaturperiode verabschiedet werden soll. Ob Serap Güler die Verabschiedung jedoch noch als aktive Staatssekretärin mitbegleiten wird, ist offen. Denn politisch strebt die 40-Jährige mittlerweile neue Ziele an. Ab September möchte Serap Güler Köln-Mülheim und Leverkusen politisch im Bundestag vertreten und tritt damit gegen niemand geringeren als Dauer-Talkgast Karl Lauterbach an. Unabhängig davon ob ihr der Sprung in die Bundespolitik gelingt oder sie doch der Landespolitik treu bleibt; eines ist jetzt schon klar: So oder so werden wir noch einiges von Serap Güler hören, denn sie ist nicht nur eine Bereicherung für die CDU, sondern für die gesamte Politik in Deutschland.


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